Leben mit
Spitex - Engeln
Ich war schon
blau im Gesicht, als ich die Arztpraxis von Frau Doktor Luzia Pronti
betrat. Atemlos sank ich auf die
Empfangstheke, sofort rannte das gesamte Personal herbei, mir wurde die
Coronamaske vom Gesicht gerissen und die Sauerstoff Maske aufs Maul gedrückt.
Zudem gab mir die Praxishilfe einen Topf, in den ich das trübe Wasser aus
meinen lädierten Lungen herauswürgte. Danach brachte mich der Notfallwagen mit
Blaulicht ins Spital.
Nach knapp
drei Wochen sass ich wieder, noch geschwächt und bleich, zuhause in meinem
Fauteuil. Es klingelte. Ich schleppte mich zur Tür, draussen stand die Chefin
der lokalen Spitex Pflegeorganisation. Sie war schon vom Spital aus avisiert worden,
um abzuklären wie viel Hilfe ich brauche. Ich bekam eine Haushalthilfe, die die
Wohnung reinigt und die Einkäufe macht, zudem kommt vorerst 2mal pro Tag eine
Spitex Mitarbeiterin zur Medikamentenbereitstellung und zur Körperpflege. Noch
am gleichen Tag erschienen die ersten Spitex Frauen.
Es klingelte.
Vor der Tür stand eine kleine, rundliche, brasilianische Mama. »Ich bin ihre
Haushalthilfe. Ich heisse Romina, wie darf ich sie nennen.» sagte sie in astreinem
Hochdeutsch, aber mit brasilianischem Singsang. «Sagen sie einfach Alexander zu
mir.» «Gut, Herr Alexander» «Sie müssen nicht Herr sagen». Ich wollte keine
Herren-Magd Beziehung. Sie beharrte aber auf der Anrede. Also begann ich sie ab
und zu «Frau Romina» zu nennen, was sie empört ablehnte. Es dauerte mehrere Monate,
bis sie das «Herr» ablegte. Sie war eine absolute Perle, summte fröhlich, während
sie putzte und war immer zu einem Scherz aufgelegt.
Ich lernte jede Woche ein, zwei Sätzchen auf Portugiesisch, um Romina damit zu überraschen. Wie etwa :” Ouvi falar do seu filho. Qual o nome dele? Perigo! Davide está apaixonado!» Was heissen soll: Ich habe von deinem Sohn gehört. Wie heisst er? Achtung! Davide ist verliebt.
Oder ”
Nunca faz tanto frio no Brasil.
Mas está chovendo hoje em São Paulo, mas com 27 graus!” So kalt ist es in
Sao Paulo nie. Aber es regnet heute
auch in Sao Paulo, aber bei 27 Grad.
»Desejo a você um ótimo final de semana com sua família. Até a próxima quarta-feira» Ich
wünsche dir ein schönes Wochenende mit deiner Familie. Bis nächsten Mittwoch.
Am nächsten
Tag machte ich Bekanntschaft mit einem scheuen Reh. Frau
Biedermann-Tugendhat eine schlanke, grosse Frau ohne Selbstbewusstsein.
Trotz den vorgeschriebenen Plastiküberschuhen traute sie sich kaum meinen Boden
zu betreten. Sie zweifelte bei jeder Tätigkeit an sich und hatte Angst, dass
sie etwas nicht richtig kann oder sie gar einen Fehler macht. Dabei hat sie
alles sorgfältig und perfekt gemacht.
Während sie
in der Küche die Pillen für eine Woche parat machte, liess ich das Bad ein. Im
Umkleidezimmer zog ich mich aus, nahm den Bademantel in die Hand und ging nackt
in den Flur. Da stürzte Frau Biedermann-Tugendhat aufgeregt aus der Küche. Ich
hatte kaum Zeit den Bademantel vor meine Scham zu ziehen. Aufgeregt rief sie «
Das Bad läuft über! Das
Bad läuft über!» Meine Nacktheit würdigte sie nur mit einem kurzen Blick.
«Keine Angst» versuchte ich sie zu beruhigen:» Die Wanne hat ja einen
Überlaufabfluss sie kann gar nicht überlaufen». Sie tat mir leid, ihre allgegenwärtige
Angst, ihr mangelndes Selbstvertrauen und ihr eingefahrenes, konservatives
Denken behinderte sie ständig. Sie steht sich absolut selbst im Weg.
Sie bot mir
an meine Füsse und meinen Rücken zu waschen. Die Füsse wusch ich selbst, meinen
Rücken überliess ich ihr. Als ich aus dem Bad stieg, versteckte sie sich hinter
dem Badetuch, das sie mir reichte.
Zum Abschied wollte
ich die Bohnenstange umarmen, vielleicht würde das ihr Selbstwertgefühl ein
bisschen anheben. Aber sie lehnte meine höfliche Anfrage kategorisch ab.
Die an Psychologie
und Kunst interessierte Madame Florence, wie ich sie nennen darf, bereut den
Namen ihres Ehemannes Eckenbrink bei der Hochzeit gegen ihren Mädchennamen Lacheux
getauscht zu haben.
Als Erste
bemerkte sie beim Rückeneincremen die vier parallel verlaufenden etwa 10
Centimeter langen Narben an meiner Schulter. «Was ist denn da passiert?» Damit
gab sie mir die Gelegenheit eine Heldengeschichte zu erzählen: «Ich habe mal
mit einem Gepard im Studio gedreht. In einem kleinen Nebenstudio wartete das
elegante Tier auf seinen Auftritt. Während ich mit der Dompteuse den Ablauf der
Szene besprach, sass der Gepard auf einem etwa 2 Meter hohen Podest. Wir hatten
ihn zwar fast ständig im Blick, aber als ich kurz zu der adretten Dompteuse
rüber schaute, sprang der Gepard an die gegenüber liegend Wand, drehte sich in
der Luft, stiess an der Wand ab und fiel mir in den Rücken. Am Boden liegend
spürte ich den heissen Atem des Raubtiers in meinem Nacken und erwartete den
finalen Biss. Aber reaktionsschnell riss die Tierbändigerin den Gepard am Hals
von mir weg. Aber das wilde Tier wollte mich nicht loslassen und krallte sich
an meiner Schulter fest. Ich wurde schnell ins Spital gebracht, die Wunden wurden
genäht und eine Tollwut Impfung verabreicht.
Nach zwei Stunden sass ich wieder bleich auf meinem Regiestuhl.» Madame
Florence konnte die getürkte Story kaum glauben.
Ich habe zwar
dies alles erlebt, aber drei Erlebnisse zu einer Story verdichtet. Als der
Gepard mir in den Rücken fiel war ich 10 Jahre alt. Ich musste für 50 Rappen
die Stunde einer vornehmen Dame Kohlebriketts in Zeitungspapier einwickeln,
damit die Dame keine schmutzigen Hände bekommt. Nach zwei Stunden im Keller,
rief sie mich: «Willst du meinen Gepard sehen?» Dieser hatte ein eigenes
grosses Zimmer mit Balkon. Danach spielte sich die Szene genau wie oben
beschrieben ab,
Ich habe zwar
mal mit einem Löwen für «Lions Tea» im Studio gedreht, aber der lag nur faul
auf einem Perserteppich in einem altenglischen Dekor.
Die Narben
habe ich mir zugezogen als ich mein erstes Auto, einen alten Studebacker, zu
Schrott gefahren habe.
Völlig
emotionslos berichtete mir Madame Florence, dass sie die Beerdigung ihrer
Mutter, die vor drei Tagen verstorben ist, organisiere. Sie hätte sie seit 50
Jahren nicht mehr gesehen, hätte aber ihr Mutterproblem in der Therapie so weit
erledigt, dass sie deswegen kein schlechtes Gewissen mehr habe.
Ich erzählte
Ihr, dass auch ich ein Mutterproblem hatte, das in der Lehranalyse ein
wichtiges Thema war. Ihr erstes Kind war für meine Mutter eine Katastrophe.
Meinem Vater war es von Anfang an ein Dorn im Auge, dass seine Ehefrau
herumreiste und auf der Bühne andere Männer unterhielt. Meine Mutter war in der
Vorfernsehzeit eine gefragte Entertainerin, wie man heute sagen würde. Ihr
Ehemann verbot ihr nun als Mutter weiterhin auf der Bühne zu stehen, zu diesem
Schritt war er von Gesetzes wegen ermächtigt. Damit zog er ihr aber
buchstäblich die Bretter, die für sie die Welt bedeuteten unter den Füssen weg.
Kurz nach der Geburt fiel sie in eine tiefe Depression und musste für mehrere
Wochen in die Psychiatrie interniert werden. Dieser Bruch belastete ihre
Mutter-Kind-Beziehung erheblich.
Als meine
Mutter weit über 90. Jahre alt war, rief mich die Betreuerin vom Altenheim an.
Sie teilte mir mit, dass meine Mutter im Sterben liegt. Ich ging ans Sterbebett
meiner Mutter, sie hatte das Bewusstsein bereits verloren. Was sollte ich tun?
Mir kam die Idee ich könnte singen, vielleicht konnten Lieder, die sie kannte,
noch in ihren Geist gelangen. Meine Mutter war sehr katholisch, also sang ich
erst tröstliche Kirchenlieder wie: "So nimm, denn meine Hände und führe
mich bis an mein selig Ende…" und: "Maria breit den Mantel aus, mach Schutz
und Schirm für uns daraus…". Dann kam mir ein Schlager aus den 50ern in
den Sinn der uns amüsierte und die ganze Familie den Refrain laut mitsang:
"Das alte Haus von Rocky-Tocky hat vieles schon erlebt. Kein Wunder, dass
es zittert, kein Wunder, dass es bebt…". Zum Abschluss sang ich noch ein
Lumpeliedli, das sie auf der Bühne gerne gesungen hat: "Dä mit em brune
Huet, dä gfalt mer bsunder guet…". Nach etwa einer halben Stunde bin ich
wieder gegangen. Fünf Minuten später war meine Mutter tot.
Die
Spitex-Frauen umsorgen mich, wie ich es in meinem ganzen Leben nicht erfahren
habe. Die Psychiatriekrankenschwester Frau Stutz ist meine Hauptbetreuerin, sie
schaut 2x die Woche wie es mir geht. Sie hilft mir beim Baden und hat sich zur Herrin
meines Kleiderschranks aufgeschwungen. Sie wählt die Farbe meiner Unterwäsche
aus, auch Hemd und Hose. Dass ich die Unterwäsche verkehrt anziehe, also Nähte
nach aussen, hat sie kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Nachdem sie gegangen
ist, ziehe ich schnell wieder meine Kuschelkleidung an.
Nach dem sie
meinen Kleiderfundus ganz durchforstet hatte meinte sie: «Sie haben so viele
elegante Jacketts und Anzüge, wann tragen sie die eigentlich?». «Die sind aus
meinem letzten Leben.» Wieder hatte ich die Gelegenheit ein Highlight aus
meinem Leben zu erzählen
«Eines Abends
bin ich mit einem Fotomodell aus Paris ausgegangen. Nach dem Essen wollten wir
noch tanzen gehen. Aber schon am Eingang zum angesagtesten Dancing jener Zeit,
wurden wir vom Geschäftsführer brüsk angehalten. Meine Begleiterin hatte einen
modischen, weissen prêt-à-porte Hosenanzug aus Paris und High Heels an. «Frauen
in Hosen», sagte der Chef barsch:» sind hier unerwünscht, und ebenso Männer,
die zum Jackett Jeans tragen».
Etwa ein Jahr
später wurde ich von der Modezeitschrift «Annabelle» zum «Best- angezogenen
Mann» gewählt.»
Annabelle
Redaktorin im weissen Hosenanzug, Modepapst Dschingis ganz in Samt und der
Preisträger mit Seidenhemd und angesagtem Bonny and Clyde-Anzug.
Während Frau
Stutz meine Beine in der Badewanne wusch, schaute sie kurz auf meinen Penis und
sagte: « Nicht, dass es noch zu schön wird». Danach hat sie mir meinen Rücken
gewaschen, so grob als würde sie eine Kuh striegeln.
Anderseits,
als sie zusammen mit der Lehrtochter mir zugeschaut hat, wie ich meinen
Intimbereich wasche, fragte sie:" Wie ist das für sie, wenn zwei Frauen
ihnen zuschauen, wie sie ihren Penis waschen?" " Ich beachte euch gar
nicht." antwortete ich trocken. Danach meinte sie:" Sie waschen ihren
Penis aber unnormal ".
Frau Stutz
hat wirklich ein freches Maul, das gefällt mir. Auch sonst teilen wir
verschiedene Wesenszüge, auch sie ist bekennende Narzisstin, hat auch ein ADHS,
hat Witz und Verstand. Eine aussergewöhnliche Bauerntochter.
Damit ist Frau Stutz endgültig zu meinem Lieblings-Spitex-Engel aufgestiegen.
Die urbane
Bevölkerung hat zumeist mit freundschaftlichen Körperkontakten keine Probleme,
sehr konservativ hingegen reagiert die Landbevölkerung, nicht nur auf
Umarmungen.
Es wurde extra
eine Sitzung wegen meines Verhaltens einberufen. Landfrauen sind sich galante
Komplimente nicht gewohnt ("Sie haben eine schöne Frisur" " Ihr
Outfit ist gut gestylt" usw.). Wenn sie mir den Rücken eincremen und ich dann nur sage:" Wunderbar wie sie das
machen." beenden sie die wohlige Massage sofort und sagen:"
Nicht, dass es noch zu schön wird." (Spitex-Credo 6. Gebot).
Anatomie der Spitex–Umarmung
Nach dem mir
Frau Huschweg die Füsse und den Rücken, ohne die vorgeschriebenen
Gummihandschuhe, massiert hatte überkam mich das dringende Verlangen sie zu
umarmen. Ich fragte höflich, ob ich das darf. Sie öffnete lächelnd ihre Arme
und herzte mich anschmiegsam. Nach wenigen Sekunden verliess mich der Mut und
ich liess von ihr ab. Enttäuscht sagte Frau Huschweg: «War das jetzt eine
Spitex Umarmung?» drehte auf dem Absatz um und ging ohne Adieu zu sagen. Leider
ist sie danach nie mehr zu mir gekommen.
Auf die spröden,
hölzernen Umarmungen der anderen Spitex Frauen kann ich gerne verzichten. Frau
Stutz meinte « Der Wunsch einen lieben Menschen zu umarmen ist legitim, aber es
gehört halt leider nicht zum Spitex Service, gehen sie doch in den Wald und umarmen
sie Bäume!» Die hat ja einen Vogel im Geäst. Die meint ich hätte auch den
Spitex-Zölibat-Eid geleistet.
«Sie denken
sicher ich sei ein Weiberheld gewesen, zugegeben ich war ein Frauenschwarm. Was
einige Frauen unglücklich gemacht hat. Mein Ideal war aber eigentlich immer
ihre Biografie. Auf einem Bauernhof geboren werden. Mit 18 den Partner fürs Leben
finden, ihn heiraten und eine Familie gründen.» Frau Stutz war das erste mal sprachlos.
Noch ungläubiger schaute sie, als ich ihr meine bäuerlichen Erfahrungen
erzählte: « Als Kind war ich in den Ferien oft im Landdienst und habe dort das
harte Bauernleben in den 50ern erlebt. Als etwa Dreissigjähriger bin ich mit
meiner damaligen Freundin aus der Stadt aufs Land in ein Bauernhaus umgezogen.
Dort habe ich dem Bauern bei einer schweren Geburt im Stall geholfen und später
sogar, in Abwesenheit des Bauern, allein ein Kalb zur Welt gebracht. Ich habe
mit dem Bauern Bäume im Wald gefällt und das Holz nachher in massgenaue
Scheiter mit der Axt gespalten. Mit dem Brennholz konnten wir den ganzen Winter
unseren Kachelofen heizen».
Nachdem sie sich von meinem unerwarteten
Geständnis erholt hatte, korrigierte sie mich:» Ich bin nicht verheiratet, aber
schauen sie mein Mann hat mir aus der Lasche einer Getränkedose einen goldenen
Ring gemacht.» Sie zog ihn vom Finger und streckte mir ihren «Ehering»
entgegen, aber aus irgendeinem Grund wollte ich das Ding nicht berühren. « Eine
Zeit lang meinte ich sie könnten schwul sein». «Nein, nein» entgegnete ich:
«aber ich habe viele weibliche Attribute».
Bei der
Verabschiedung wollte ich Frau Stutz den Unterschied, zwischen dem Wiener- und
dem Pariser Handkuss zeigen. Sie verbarg aber sofort ihre Hand hinter dem
Rücken und wollte mir partout ihre Hand nicht geben, bis ich sie anschnauzte: «Tu
doch nicht so blöd!». Also: «Gnädge Dame, sie erlauben». Beim Wiener-Handkuss geht
das Auge vom Gesicht direkt zur dargebotenen Hand.
«Madam, en chanté». Der Pariser gleitet mit dem
Blick langsam über das Dekolleté zur Hand. Als sie
meinen an ihrem Körper hinab gleitenden Blick erkannte, zog sie verlegen lächelnd
ihre Hand zurück.
Als ich auf
der Terrasse den ärztlich verschriebenen Morgenjoint rauchte, klingelte es
plötzlich an der Tür, ich nahm noch einen tiefen Zug, dann öffnete ich die Tür.
Draussen stand eine mir unbekannte Person. « Hey, Ich bin Ulka ihre Physiotherapeutin».
Ich musste
mich aufs Sofa legen und sie lud mir ein Sixpack auf den Bauch, das ich bei
jedem Atemzug hoch stemmen musste. Mir wurde schnell mal schwindelig. Dann
legte Ulka ihre Hand unter mein Gesäss und sagte: « Drücken sie ihren Po gegen
meine Hand». Danach musste ich mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel. Es war
für mich ein eher bedrückendes Bild. Sie zeigte mir welche Punkte ich drücken soll,
um meine Hyperatmung zu beruhigen.
Ich legte
mich wieder hin und sie ihre Hand auf mein Brustschwert. Durch den Joint und
die ruhige Atmung kam ich in einen starken Philosophic-Outloock : « Wenn wir
annehmen, dass jeder Mensch die gleiche Seele hat, so kann sie nur im überpersönlichen
Bereich liegen. Also verhindert die individuelle Psyche das Erfahren der eigenen
Seele. Um das Privat-Persönliche auszuschalten, braucht es sowohl die Gabe dazu,
wie auch viel Zen-Training. Ich habe nicht nur in einem Zen-Kloster in Japan,
sondern auch hier in vielen Zen-Sesshin mit japanischen Zen-Meistern trainiert
Zugang zu meiner Buddha-Natur zu finden». « Was verstehen sie unter Zen Training?».
« Klassischerweise ist das Za-Zen, eine Meditations-Methode mit geöffneten
Augen, und das Lösen eines Koans, ein mit dem Intellekt unlösbares Paradoxon,
wie zum Beispiel - Hörst du das Klatschen nur einer Hand - . Ich habe aber in
meinem Do-jo (Weg-Raum) viele skurrile Übungen, die ich teilweise selber
entwickelt habe, gelehrt. Wie etwa die Toilette als Tempel zu betrachten, beim
hinein gehen streifst du alle irdischen Gedanken ab, setzt dich auf die
Kloschüssel und wartest ohne zu Warten, dann nimmst du einfach das basale,
archaische Geschehen in deinem Körper wahr. Oder du fragst dich ernsthaft: Wer
schaut eigentlich aus meinen Augen. Oder: Versuche mit den Ohren zu sehen. Oder:
Rufe bei jedem Ausatmen deine Seele mit «Du» an, vielleicht meldet sie sich»
sagte ich lachend.
Nachdem Ulka
das Unerhörte gehört hatte, bot sie mir einen Deal an:» Ich sorge für dein
körperliches Wohlsein und du hilfst mir meine Seele zu erleben».
Frau Biedermann–Ehrentreu
wusch mir den Kopf, dabei spritzte sie mir meine Hose nass. Ich sagte aber
nichts, um ihr wegen des Missgeschicks keine Schuldgefühle zu machen. Ich
behielt die nasse Hose bis zu ihrem Weggehen an.
Um ihr zu
zeigen, dass man auch mal etwas Verbotenes machen darf, warf ich ein Kleenex
ins WC und sagte:» Das darf man eigentlich nicht, weil sie im Klärwerk damit
Probleme haben, man darf nur WC-Papier ins Closett werfen».
Sie
berichtete mir, dass sie morgen für Gäste Steaks grillieren muss, da ihr Mann
derweil in der Küche beschäftigt ist. Natürlich hatte sie Angst, dass sie das
Fleisch entweder zu lange oder zu kurz brät. «Sie unterschätzen sich!» munterte
ich sie auf. Ich musste mir auf die Zunge beissen, um sie nicht zu belehren, dass
man keine Mitgeschöpfe essen soll. Aber ich konnte mir nicht verkneifen zu
sagen:» Ich habe einen Test gesehen bei dem drei Spitzenköchen herausfinden
mussten welches Steak, welche Wurst und welcher Fisch vom Grill oder aus der
Bratpfanne kommt. Keiner der Sterne-Köche fand einen Unterschied ob in der
Pfanne oder auf dem Grill das Fleisch gebraten wurde.» Erstaunlicherweise
bestätigte sie meine Ansicht. «Auf jedem zweiten Balkon steht ein Grill, der
meist von Männern betrieben wird. Für die Höhlenbewohner war es das Grösste vor
der Höhle ein Feuer zu entfachen und in der Glut ein Stück des heute erlegten
Mamuts zu grillen. Das hat sich im Kollektiven Unterbewusstsein eingebrannt und
wird genetisch bis heute weitergegeben. Einige Anthropologen meinen, dass sich
die Sprache und das Erzählen von Geschichten am gemütlichen Lagerfeuer vor der
Höhle entwickelt hat».
Von
meiner Klugscheisserei hatte Frau Biedermann-Ehrentreu bald genug, deshalb
erzählte sie mir eine Geschichte aus ihrem Ehebett: « Wir gingen schon um neun Uhr ins
Bett. Eine Viertelstunde danach klingelte das Telefon. Wir fragten uns, wer denn
noch so spät anrufen könnte? Mein Mann sagte: Geh und nimm das Telefon ab. Ich erwiderte:
Geh doch du! Nachdem er wieder ins Schlafzimmer zurückkam, sagte er: Du wirst
es nicht glauben, es war mein Chef, der mir sagte, dass ich ab morgen
Abteilungsleiter bin, da der vorgesehene Kandidat kurzfristig abgesagt hat «.
Ich fragte
mich, ob sie ihrem Ehemann Paroli geboten hat oder aus Angst den nächtlichen
Anruf nicht annehmen wollte. Ich vermute eher Letzteres.