Zwei vielschichtige Bilder aus dem Barock

 

Der König und Ich 



«Las Meninas» (Die Hoffräulein) des Spaniers Diego Velázquez (1599-1660) ist eines der meistdiskutierten Gemälde der Kunstgeschichte. Der „Rätselcharakter“ des Bildes (3,18 Meter × 2,76 Meter), führt zu immer neuen Interpretationsansätzen. Der Barockmaler Luca Giordano behauptete von dem Bild, dass es die „Theologie des Malens“ darstelle. Der Maler Thomas Lawrence nannte es im 19. Jahrhundert ein Werk über die „Philosophie der Kunst“. 1966 schrieb René Magritte in einem Brief an Michel Foucault „Die Meninas sind das sichtbare Bild des unsichtbaren Denkens von Velasquez.“

Anders als in Italien galt die Malkunst in Spanien Mitte des 17. Jahrhunderts noch als dem Handwerk ähnliche blosse Fingerfertigkeit und war damit etwa der Schneiderei oder dem Schuhmacherhandwerk gleichgestellt. Geistige Leistungen wie Motivauswahl, Bildaussage und Konzeption wurden nicht gewertet. Velázquez kämpfte nicht nur um seine persönliche Anerkennung, sondern auch um die Etablierung der Malkunst in die sieben «Artes liberales» (Dichtung, Musik, Philosophie, Rhetorik, Logik, Geschichte, Astronomie). Tätigkeitsfelder, die zum Broterwerb dienten, waren von den honorablen «Freien Künsten» von vornherein ausgeschlossen.

Über 10 Jahre lang kämpfte Velázquez um die Aufnahme in den aristokratischen Santiago-Orden. Trotz einem Empfehlungsschreiben des Königs und 100 Zeugen die bestätigten, dass Velázquez nicht für Geld malte, sondern der Kunst wegen, wurde dem Maler die Mitgliedschaft in den exklusiven Club durch den spanischen Adel verweigert.

Bis heute wird es immer wieder als das bedeutendste Gemälde von Velázquez beschrieben und gilt als eine selbstbewusste, durchdachte Reflexion darüber, was ein Gemälde darstellen kann.

 

Werk mit sechs Ebenen.

Ebene 1, ist unsichtbar. Das Hauptmotiv ist König Philipp IV der mit seiner Gattin dem Künstler Modell steht, aber auf dem Bild nicht zu sehen ist. Jedoch fast das ganze Bildpersonal steht im Blickkontakt mit ihm. Das Gemälde ist aus dem subjektiven Blickwinkel des Königs, also auch des Betrachters, gemalt. Somit schlüpft der vor dem Gemälde stehende Betrachter automatisch in die Position von König Philipp IV. 

Ebene 2 Im Vordergrund befinden sich ein friedlich daliegender Mastiff sowie zwei Kleinwüchsige, so genannte Hofzwerge: die aus Deutschland stammende Maria Bárbola und der Italiener Nicolasito Pertusato, der spielerisch, mit seinem Fuss den schlafenden Hund neckt.

In einem Lichtkegel steht die fürstlich gekleidete fünfjährige Infantin Margarita. Ihr unsicherer, fragender, aber auch etwas koketter Blick ist ihrem Vater (und somit dem Bildbetrachter) zugewandt. 




Margarita war Thronfolgerin bis zur Geburt ihres Bruders Baltasar Carlos. Margarita Theresa wurde mit 15 Jahren im Zuge der habsburgischen Heiratspolitik mit ihrem Onkel und zugleich Cousin Leopold I. verheiratet und  wurde damit Kaiserin von Österreich und des Heiligen Römischen Reiches.

Die kniende Hofdame María Agustina Sarmiento de Sotomayor reicht der Infantin liebevoll zugewandt auf einem Tablett ein Krüglein heisse Schokolade. Die zweite Hofdame, Isabel de Velasco, wartet in leicht knicksender Haltung und in sichtbar vorauseilender Gehorsamkeit auf ihren Einsatz.

Dieses hübsch arrangierte Ensemble bildet wohl auch auf dem Gemälde, das Velázquez gerade malt, den Vordergrund. Natürlich kann er sie nicht malen, wenn er sie von hinten sieht, aber schon im Manierismus wurde mit verschiedenen Perspektiven im gleichen Bild experimentiert. Bei Pablo Picasso wurde die multiplexe Bildperspektive zur Norm. Übrigens malte Pablo Picasso 44 Variationen des Gemäldes von Velázquez.



 


Auf der 3. Ebene steht der alle anderen Bildfiguren überragende Maler Diego Velázquez. Er steht im Blickkontakt mit König Philipp IV. von Spanien der mit seiner Gemahlin Maria Anna von Österreich das unsichtbare Motiv und gleichzeitig den Blickwinkel des Bildes darstellt. Velázquez zeigt sich nicht beim Malakt, sondern in „aristokratischer Pose seine unmittelbare Nähe zur Königswürde unterstreichend».




Der symbolische Generalschlüssel am Gürtel von Velázquez belegt, dass er hoch in der Gunst von Philipp IV. stand und auch zu dessen Privaträumen Zutritt hatte. Auch, dass sich der König im Environment eines (aufgeräumten) Künstleratelier malen lässt, weist auf die Nähe zum Künstler hin.

Aber trotz einer Empfehlung des Königs, oder vielleicht gerade deswegen, wurde sein sehnlichster Wunsch, in den aristokratischen Santiago-Orden aufgenommen zu werden abgelehnt, da er seine adelige Ahnenreihe angeblich nicht vollständig belegen konnte. Erst wenige Monate vor seinem Tod wurde Velázquez doch noch in den Ritter-Orden aufgenommen. König Philipp IV. soll eigenhändig das Kreuz des Santiago Ordens nachträglich auf den Wams von Velázquez auf das Bild gemalt haben.

 

Auf Ebene 4 im halbschattigen Mittelgrund spricht die Ehrendame Marcela de Ulloa, in nonnenartiger Trauerkleidung, mit einem nicht identifizierbaren Mann.

 

Ebene 5 bildet ein Spiegel, der das eigentlich unsichtbare  Hauptmotiv des Bildes zeigt - das spanische Königspaar. 




Oben an der Wand hängen Kopien von Gemälde von Peter Paul Rubens und Jacob Jordaens. Damit wollte Velázquez wohl den künstlerischen Wert der Malerei bezeugen und die Nobilitation der Kunstgattung in Spanien vorantreiben.

 

Ebene 6 öffnet den Blick ins hell erleuchtete Treppenhaus. Auf den untersten Stufen steht der dienstbare Hofmarschall José Nieto, der den König als treuer Gefolgsmann immer begleitete und somit die Anwesenheit der unsichtbaren Hoheit bestätigt. Man weiss aber nicht recht, kommt er oder geht er.



«Vor 360 Jahren verstarb am 6. August 1660 Diego Velasquez. Durch „Las Meninas“ blieb er für Philipp IV. zeitlebens präsent. Am 17. September 1665 starb der König. Geblieben ist ein aussergewöhnliches Gemälde, das bis in die Gegenwart dem Betrachter die Erkenntnis über seinen endgültigen Sinnzusammenhang verweigert hat».  Prof. Dr. Joachim Gaus Kunsthistoriker



Zwei Freunde und ein UFO




Auf den ersten Blick scheint das Gemälde «Die Gesandten» von Hans Holbein dem Jüngeren ein übliches Doppelportrait zweier Freunde zu sein. Wäre da nicht das unerklärliche Gebilde im Vordergrund.


Das Sichtbare                                                                                        

Links steht in protziger Pose und opulenter Kleidung der adlige Jean de Dinteville der als Gesandter am Hof Heinrichs VIII. von England weilte. Sein herausfordernder, durchsetzungsfähiger Blick trifft den Betrachter.

Rechts steht mit eher unsicherem, scheuem, leicht nach unten gerichtetem Blick Georges de Selve, schützend zieht er seinen Mantel vor sich. Er war ein Kleriker, der bereits im Alter von siebzehn Jahren zum Bischof gekürt wurde und auch er war in französischen Diensten am englischen Hof.

Auf dem Regal zwischen den zwei Männern zeigen verschiedene Gegenstände die Gebiete für die sich beide begeistern konnten. Ein Torquetum um Sternenpositionen zu bestimmen, zwei Globen, einen Quadranten, eine Sonnenuhr, eine Mandoline, ein deutsches Mathematikbuch und ein aufgeschlagenes lutherisches Gesangsbuch.

Durch die astronomischen und mathematischen Messinstrumente, sowie die theologischen, geographischen und musikalischen Attribute, werden die Dargestellten, wenn nicht als aufgeklärte Humanisten, so doch mindestens als an den Wissenschaften Interessierte dargestellt und werden somit zu Repräsentanten der überlegenen Bildungsschicht.

Die beiden Männer befanden sich auf einer heiklen und letztlich erfolglosen Mission, um die Kluft zwischen Heinrich VIII. und der Kirche von Rom zu schliessen.

 

Die Perspektive macht`s

So weit, so gut, aber was soll der graue Klecks den Holbein mitten ins Bild gesetzt hat? Das Geheimnis erschliesst sich, wenn man den Kopf an den rechten Bildrand des Gemäldes legt und in einem 27 Grad Winkel flach nach unten zu dem merkwürdigen Gebilde schaut - erkennt man einen Totenschädel. 



Durch die starke anamorphotische Verzerrung ist das Objekt nur aus genau diesem extremen Blickwinkel plastisch zu erkennen. Das perspektivische Experiment lenkt die Aufmerksamkeit auf die Grenzen des menschlichen Sehvermögens, und die Verschlüsselung zwingt den Betrachter, seinen Platz und seine Blickpunkt auch auf die  Dinge in der Welt neu zu sehen. 

Durch den Totenschädel erhält das Bild "Memento mori" (Bedenke, dass du sterben wirst) oder "Vanitas" -Charakter.  «Vanitas» bezeichnet Gemälde reich an symbolischen Gegenständen, die die Vergänglichkeit des Lebens, die Nichtigkeit der irdischen Vergnügungen und das sinnlose Streben nach Macht und Ruhm betonen.

Bischof Georges de Selve starb kurze Zeit nach Fertigstellung des Bildes im Alter von 33 Jahren.

Es ist nicht auszuschliessen, dass der Totenkopf erst nachträglich auf das Bild kam und somit den Sinngehalt des Gemäldes neu definierte.


Kruzifix

Als weiteres schwer zu ergründetes Zeichen setzt Holbein durch den gekreuzigten Jesus der hinter dem Vorhang hervorlugt. 


Das Kruzifix könnte zu Zeiten der beginnenden Aufklärung als Gegengewicht zu den wissenschaftlichen Geräten auf dem Regal stehen, um den weltlichen Adel an den heilsgeschichtlichen Kern der christlichen Botschaft zu erinnern und zur Einheit des Christentums mahnen.

Dass während der schwelenden Religionskonflikte ein katholischer Bischof sich mit einem Gesangbuch von Luther abbilden liess, ist erstaunlich, könnte aber auf eine gewisse Toleranz des Abgebildeten gegenüber der Kritik des Protestantismus an der römischen Kirche hinweisen. Es kann auch die noch vorhandene Möglichkeit aufzeigen, dass die Zweiteilung der christlichen Kirche durch Annäherung immer noch zu verhindern wäre.

 

Wer das Bild in Auftrag gegeben hat, ist unbekannt. Auch Hohlbein hat keine Anmerkungen zu dem Bild und seinen Geheimnissen hinterlassen. 


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Entschuldigt allfällige Orthographie Fehler, ich bin seit Karl dem Grossen der schwerste Legastheniker der Geschichte. Auch die Komasetzung ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.

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