Japanische Theaterformen


Teil 1

"Nō" das abstrakte, rituelle Maskendrama 

"Kyōgen" das satirische, komödiantische Zwischenspiel

Teil 2

"Kabuki" das poetische wie spektakuläre Musical

"Butoh" das ergreifende, quälende, schauderhafte Gesicht des Grauens

 

Nō-Drama

Das -Spiel ist ein Welt Kultur Erbe. Nur noch eine kleine Minderheit in Japan versteht die stark abstrahierte Gebärdensprache, die 250 Maskentypen (60 davon in regelmässigem Gebrauch), das altertümliche Sino-Japanisch (Chinesisch in japanischer Sprechweise) des verhaltenen Tanztheaters.

Neben der Form des «Göttlichen Drama» besteht auch das «Männliche Drama» (meist kriegerischer Inhalt), das «Weibliche Drama» (Liebesdrama um eine schöne Frau), das «Ungeheuer-Drama» und das «Drama vom Wahnsinn» (ein Stück zu aktuellen Ereignissen).

 


Die Bühne

Das Nō-Theater ist meist einem Shinto-Tempel angeschlossen. Der Grundriss ist tradiert: eine quadratische Bühne und der Zugangssteg Hashigakari (Blumensteg). Über der Bühne ragt ein Tempeldach getragen von vier Säulen an denen sich die maskierten Darsteller orientieren. Die Schauspieler haben genau vorgeschriebene Positionen auf der Bühne, der Shite (Hauptdarsteller) links hinter der Mitte der Bühne, der Waki (Zuspieler) agiert vorne rechts.

Die Holzbühne ist ein idealer Resonanzkörper für die dramatischen Stampfschritte aufgebrachter Götter.

Im Hintergrund und rechts der Bühne sind die Plätze von Musikern und dem Chor. Das karge Bühnenbild ist seit Jahhunderten das gleiche, eine knorrige Kiefer als Symbol für Langlebigkeit, Ausdauer und Ewiges Leben. 



Auch die seltenen Requisiten sind stark abstrahiert.

            Brunnen                                                                                Glocke



Typisch für das moderne Japan die Zuschauer haben Monitore auf denen Übersetzungen und Erklärungen zu den Gesten und der Handlung gezeigt werden.


     National Nō Theater, Tokio

 

Die handelnden Figuren

Die Rollen des -Theaters werden üblicherweise vererbt oder durch Adoption weitergegeben. Mit drei Jahren beginnt der Schauspielunterricht. Erst werden die verschiedenen Gangarten geübt: Göttliches Schweben, Gangart von Dämonen, Laufen irdischer Wesen, Gleitschritt des Kriegers, teuflische Stampfschritte.

(Mein Kyu-do Meister in Japan hat als erstes von mir verlangt, dass ich zwei Tatami-Längen Gehen soll. Lachend sagte er:»You walk like John Wayne» und führte eine perfekte John-Wayne-Parodie vor. Danach zeigte er mir den aufrechten, fliesenden Gang eines Kyudoka: Fussballen und Zehen verlassen nie den Boden, der Fuss wird quasi aus der Hüfte nach vorne geschoben. Die nächsten Stunden bin ich nur den schwarzen Tatamirändern folgend auf und ab gegangen.)


Gehen wie ein göttliches Wesen

Götter in Menschengestalt erkennt man daran, dass sie bei jedem Schritt den Fussballen vom Boden abheben als wollten sie über die  Himmelsleiter nach oben steigen.




Die sinngebenden Gesten

Die heutigen Gebärden und Tanzbewegungen sind Ergebnis eines langen Prozesses der Stilisierung, d. h. eines allmählichen Weglassens nicht-wesentlicher Elemente in der ursprünglichen Imitation realer Gesten und einer eleganten, konzentrierten Formalisierung des Wesens solcher Aktionen wie Weinen, Kämpfen, Geistererscheinungen, Götter- und Frauentänze.

Eine häufig vorkommende stark stilisierte Geste ist Weinen. Dabei hebt der Darsteller langsam seinen Kimonoärmel bzw. die Hand  auf Höhe der Augen. Auch das Betrachten des Mondscheins oder das Fallen der Kirschblüten werden durch minimale Bewegungen oder leichte Mimik angedeutet. Alle Emotionen werden nicht gespielt, sondern in einer genau tradierten Formalisierung ausgeführt. Im Nō wird keine persönliche Improvisation geduldet.

 


Die eigentümliche Sprache

Die kaum verständliche Sprache spielt insofern keine Rolle, da die Handlung durch Gebärden und Tänze erzählt wird. Hingegen erregt die Sprechweise und der Chorgesang entsprechende Emotionen. Die dramatische Längung von einzelnen Silben und die chinesisch-typische Veränderung der Stimmhöhe wirken für unser Ohr gequält.

 

Die fremdartige Musik

Während westliche Musik berechenbarem Takt und Rhythmus folgt, orientiert sich japanische Musik an Geräuschen in der Natur. Instrumente sind die Bambusquerflöte, zwei Sanduhrtrommeln bei denen durch zusammendrücken der Spannschnüre der Ton moduliert werden kann, eine Fasstrommel und vor allem eindringlicher Chorgesang.

 

Masken: Fenster der Seele

Die eindrücklichen Nō-Masken Omote (Antlitz) stellen Menschen- und Göttertypen in einem spezifischen Gemütszustand dar. Oder verändern ihren Ausdruck zB. durch Heben oder Neigen der Maske.




"Ko-omote" Kleines Gesicht             "Hannya" Eifersüchtige Frau



"Dai-hijin" Grosser Teufel Gott                   "Okina" Alter Mann


Masken tragen nur die Hauptdarsteller. Die aus Zypressenholz geschnitzten und fein geschliffenen Masken sind kunstvoll bemalt, die Innenseite wird jedoch roh belassen. Dies hilft dem Darsteller beim Anlegen der Maske sein eigenes Ich zu verlassen und in die göttliche Natur einzutauchen.

 

Die wertvollen Kostüme

Die mehrschichtigen Prunk-Gewänder der Schauspieler sind meist Geschenke aus dem Kleiderschrank von Adligen. Bis ins 19. Jh. war es Sitte, dass die Lokal-Fürsten der Schauspieltruppe wertvolle Gewänder als Dank für die Aufführung schenkten. Einige der alten Kostüme und Masken sind Museumsstücke und gehören zum japanischen Staatsschatz. Sie werden aber heute noch für besondere Aufführungen frei gegeben. 






Die Handlung ist ein Spiel zwischen Realität und Traum, zwischen der Götterwelt und sterblichen Geschöpfen. Empathie ist ein wichtiger Schlüssel zum Verstehen des Dramas. 


"Kyogen"  Verrückte Worte

Das schwer verständliche, abstrakte Nō-Theater wird jeweils durch eine burleske Posse unterbrochen. Nicht selten karikiert das schwank-hafte Zwischenspiel die soeben gesehene Nō-Szene in einer kurzen, stark übertrieben, slapstick-artigen Satire.

Einige von den heiteren Zwischenspielen sind gar Parodien von buddhistischen oder Shintō-Ritualen. Die unverfrorene Direktheit der derben, oft zotenhaften Dialoge machen die Handlung leicht verständlich. Durch diese Possen und Farcen verliert das Publikum etwas von der in Japan noch immer präsenten Welt des Göttlichen einen Teil ihrer Unheimlichkeit und Abstraktheit.




Das bekannteste und beliebteste Kyogen handelt von zwei Dienern die sich gerne heimlich am Sake-Fässchen ihres Herrn bedienen. Als der Herr eines Abends ausgeht, fesselt er die Beiden um sie zu hindern, sich an des Meisters Sake zu vergreifen . Den zwei schlauen Dienern gelingt es trotzdem.

Video (3 Min.) 



Dokumentation des Japanischen TV Senders NHK in Englisch  (30 Min.)


Entschuldigt allfällige Orthographie Fehler, ich bin seit Karl dem Grossen der schwerste Legastheniker der Geschichte. Auch die Komasetzung ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.


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