Hat Hannibal wirklich die Alpen überquert ?
Trotz über 100 Jahren intensiver, internationaler Forschung
konnten bis heute keine belastbaren Beweise für die Alpenüberquerung von
Hannibal gefunden werden. Grundlage der Forschung ist hauptsächlich die
Beschreibung von Polybios von Megalopolis. Er war
Lehrer von Scipio Africanus d. J. und nahm als dessen Berater am Dritten
Punischen Krieg teil, bei dem Karthago im Jahre 146 v. Chr von den Römern dem
Erdboden gleich gemacht wurde. Dabei wurden auch alle Berichte von Hannibal an
den karthagischen Senat zerstört.
Dass Polybios noch mit Teilnehmern der Alpentraversierung
gesprochen hat ist ziemlich unwahrscheinlich, die alten Kämpfer wären
inzwischen um die 80 Jahre alt.
Die Werke von Sosylos der Hannibal begleitete „solange das
Schicksal es zuliess“ sind nicht mehr erhalten, ebenso sind die Aufzeichnungen
von Chaireas lediglich noch durch die Polemik von Polybios bekannt: «Sie sind
Märchen- und Tragödienschreiber, ihre Schilderungen sind nicht glaubwürdig und
kaum mehr als Geschwätz». Die Forschung muss also hauptsächlich dem
griechischen Rombewunderer Polybios folgen.
Wieso aber konstruiert Polybios diese sagenhafte
Heldengeschichte und bringt Hannibal gar den Göttern nahe («Hannibal ist von
den Göttern bevorzugt»)? Rom erlitt durch Hannibal die bitterste Schmach seiner
Geschichte. Er schlug die grössten römischen Heere und marodierte 14 Jahre
ungehindert durch Italien.
Ein einfacher Kunstgriff von antiken Geschichtsschreibern
ist Niederlagen durch den übermächtigen Gegner zu erklären. Im Falle der Hilflosigkeit,
mit der die Römer zusehen mussten, wie Hannibals Truppen Städte plünderten und
die reifen Getreidefelder abfackelten, musste ein Wunder her. Polybios erfindet
die waghalsige Alpentraversierung von Hannibal und treibt sie zu einer
Sensation hoch. Obwohl er Hannibal später sagen lässt: «Über diesen Pass sind
schon gallische Heere mit Frauen und Kindern gezogen.» Polybios Historíai. Buch
III. 48
200 Jahre später beschrieb auch Titus
Livius umfassend und phantasievoll die Alpentraversierung von Hannibal.
Doch schon über die richtige Übersetzung streiten sich die Altphilologen und
die Historiker legen die Texte unterschiedlich aus. Zudem widersprechen die
Beschreibungen von Livius immer wieder denen von Polybios.
Ein Überraschungsangriff über die Alpen auf Rom ist ein Unternehmen, das zum vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Hannibal wäre naiv gewesen hätte er geglaubt er könne mit seinem Heer durch die iberische Halbinsel, über die Pyrenäen, durch die Rhone-Ebene, eine Brücke über die Rhone schlagen und über die Alpen ziehen, ohne dass die Römer davon Wind bekommen. Es hätte genügt, wenn die 2 römischen Legionen, die zur Abwehr der Berggallier am Po stationiert waren, eine Kohorte Rekruten losgeschickt hätten um die ausgehungerten, übernächtigten, durchfrorenen und absolut kampfunfähigen Überlebenden der über zweiwöchigen mörderischen Alpenüberquerung durch Schnee und Eis, am Ende ihres Weges abzufangen und niederzumachen.
Hannibals Alpenüberquerung gilt auch heute noch als
taktische und logistische Meisterleistung (Wikipedia).
Also folgen wir mal den Spuren von Polybios Hannibal-Saga
Hannibals Armee startet im Frühling 218 v. Chr. aus dem
Winterlager in Nova-Carthago in Süd-Spanien. Der angehängte Tross aus
nichtkämpfenden Truppen, Frauen und Kinder der Söldner, Händlern und
Prostituierten erwähnt Polybios nur einmal, als Hannibal eine Falle wittert,
lässt ihn Polybios feige Frauen und Kinder mit dem Tross vorausschicken (Polybios
Historíai III/53).
Nach mehreren Scharmützeln von ibero-gallischen Bergstämmen,
bei denen es hauptsächlich um das Stehlen von Schlachtvieh geht, erreicht das
Heer die Passhöhe der Pyrenäen, wo Hannibal einen Ruhetag verordnet. Die
Soldaten können sich aber mit Sicht auf das schneebedeckte Zentralmassiv, das sie
überschreiten sollen, nicht so recht entspannen. Eine Gruppe von 3.000 Mann
desertiert bereits im Anblick der Alpen. Daraufhin entlässt Hannibal weitere
7.000 Wackelkandidaten, um zu zeigen, dass jetzt die Schwachen ausgesondert und
die Starken gemeinsam das Abenteuer bestehen werden, so verhindert er eine
Massendesertation der Söldner.
Endlich schickt er eine diplomatische Vorausabordnung, die
in den noch zu durchschreitenden Gebieten Geschenke verteilen soll und deutlich
machen, dass das kommende Heer gegen den gemeinsamen Feind die Römer ins Feld
zieht und man sie doch ungehindert durchlassen solle.
Nach über 1.400 Km. Fussmarsch endlich an der Rhone im
Gebiet der Volker angekommen, finden sie den Ort ausgeräumt, keine Schiffe oder
Flösse, keine Nahrung, keine helfenden Leute. Die Volker stehen schwer
bewaffnet am anderen Ufer und verhindern so eine Anlandung (logistische
Meisterleistung!).
Nachdem Hannibal drei Tage am Ufer des Flusses campiert hat,
weiss er plötzlich von einer leicht zu überwindenden Stelle weiter
flussaufwärts. Er schickt eine kleine Streitmacht los, die soll an jener Stelle
über die Rhone setzen und den Volkern in den Rücken fallen. Polybios Historíai
III. 43
Warum Polybios Hannibal sein Heer nicht an eben dieser
Stelle über die Rhone führt, ist nicht bekannt.
Wie die Elefanten über die Rhone kommen
Nachdem das andere Ufer freigeräumt ist, beginnen die
Soldaten mit dem Bau von Flössern und einem 60 Meter langen Steg, der in der
Mitte des Flusses endet. Von dort aus sollen die Elefanten einzeln auf ein wackeliges
Floss umsteigen, das sie ans andere Ufer bringt. «Steg und Floss wurde mit Erde
bedeckt und mit Ästen auf beiden Seiten den scheuen Tieren die Sicht aufs
Wasser genommen». Polybios Historíai III. 46
Polybios glaubt, dass Elefanten durch ihr Körpergewicht im
Wasser absinken, aber auf dem Grund des Flussbettes auf zwei Beinen ans andere Ufer laufen können.
«Einige warfen sich mitten auf der Fahrt aus lauter Angst in
den Fluss, und deren Führer fanden sämtlich ihren Untergang, während die
Elephanten gerettet wurden. Denn bei ihrer Stärke und der Grösse ihrer Rüssel,
die sie über das Wasser emporhielten und Athem schöpften und alles zugleich
ausbliesen, was eindrang, vermochten sie Widerstand zu leisten und machten unter
dem Wasser meist aufrecht ihren Weg.» Polybios Historíai III. 46
Warum die Soldaten in Schnee und Eis nicht erfroren
Nach der glücklichen Überquerung der Rhone irrt Hannibal mit
seinem Heer am östlichen Ufer der Rhone auf und ab, offensichtlich weiss er
nicht wies weiter geht. Zudem werden nun auch die «Starken» schwach. Wenn sie
nach oben schauen, sehen sie die gewaltigen, schneebedeckten Alpen, wenn sie
nach unten schauen, sehen sie, dass sie nur ein Kampfröcklein und Sandalen
anhaben.
Aber Polybios weiss Rat. Er lässt zwei verfeindete Prinzen
mit ihren Soldaten erscheinen, die sich zum Kampf um den Thron bereit machen.
Hannibal schlägt sich auf die Seite des älteren Bruders, da er von ihm eine
grössere Belohnung erwartet. Worauf der Jüngere mit seiner Truppe abzieht (er
wird aber ziemlich sicher, nachdem Hannibal verschwunden ist, wieder
auftauchen).
Aus übertriebenem Dank rüstet der neue König Hannibals Heer
mit Wintermänteln, Pelzmützen und Bergschuhen aus, zudem übergibt er ihnen noch
10 Tausend Schwerter.
"....er belieferte die Armee mit viel Korn und anderen
Lebensmitteln, weiter ersetzt er alle ihre alten und abgenutzten Waffen und
ersetzte sie durch Neue , die Auffrischung kam der Kampfkraft sehr gelegen. Er
lieferte auch den meisten von ihnen warme Kleidung und Schuhwerk, Dinge der
grösstmöglichen Hilfe, um über die Berge zu kommen." (Polybios Historíai III.49)
Nicht überraschend nennt Polybios weder den Namen des
Volkstamms noch die Namen der Prinzen. Welches Bergvölklein hatte wohl
zehntausende Teile Winterausrüstung und tausende Schwerter an Lager? Welcher
König verschenkt im Spätherbst die Wintervorräte und gibt seine Waffen ab, wenn
der Feind möglicherweise wieder zurückkehrt?
Publios kommt 3 Tage zu spät
Wie zu erwarten, wissen die Römer längst von Hannibals
Plänen, verfolgen aber unverständlicherweise die falsche Strategie. Sie wollen
Hannibals Heer den Übergang über die Rhone verunmöglichen, statt die
dezimierte, erschöpfte Armee nach der mörderischen Alpenüberquerung im Aostatal
zu empfangen.
Bereits ist nahe Marseille ein römisches Heer unter Führung
von Publius Scipio mit vier Legionen auf 60
Schiffen gelandet. Aber die Hälfte der Soldaten ist seekrank und Publius
erfährt bei der Ankunft, dass Hannibal sein Heer in diesem Moment schon über
die Rhone bringt. Publius Scipio aber zweifelt «an der Wahrheit, der
Schnelligkeit ihrer Ankunft». Da er wegen der Seekrankheit das Heer sich
erholen lassen muss, kann er nicht sofort losziehen. Er schickt deshalb 300
Reiter los, um den Standort von Hannibals Truppen auszumachen. Nach drei Tagesritten
treffen sie auf eine 500 Mann starke Reiterei der Karthager. Es kommt zu einem
wüsten Gemetzel. Die wenigen Überlebenden fliehen zu ihren Feldherren zurück
und berichten über das Erlebte. Polybios Historíai III.41
Hannibal entscheidet sich nach kurzer Überlegung, nicht schon
jetzt ein kriegerisches Treffen mit den Römern zu veranstalten, sondern er will
den grossen Coup - den Marsch über die Alpen nach Rom.
Publius Scipio hingegen bricht mit seinem ganzen Heer eiligst auf, um Hannibal zu stellen. Drei Tage nach dem Aufbruch von Hannibal in die Alpen erreicht das römische Heer das verlassene Lager von Hannibal. «Publius verwunderte sich aufs Äusserste, da er überzeugt gewesen, dass sie niemals wagen würden auf diesem Weg nach Italien zu ziehen.» Polybios Historíai III. 49
Des Polybios Geschichte: Buch III.
Entschuldigt allfällige Orthographie Fehler, ich bin seit Karl dem Grossen der schwerste Legastheniker der Geschichte. Auch die Komasetzung ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.